Donnerstag, 28. Juli 2011

Schirrmacher

Können Sie sich noch an Schirrmacher erinnern, wie er Martin Walser aus dem FAZ-Buchvorabdruck warf, weil er Reich-Ranicki in einer schändlichen, antisemitischen Weise schlechtgemacht habe.

Können Sie sich noch an Schirrmacher erinnern, wie er Grass fertigmachte, als er seine Nazivergangenheit verschwiegen hatte.

Und können Sie sich daran erinnern, wie er Sarrazin fertigmachte, so wie er ihn heute abermals fertigmacht (FAZ 28.7.2011).

Ich lese ihn gerne, den Frank (Walter würde ich gern anfügen). Er ist höchst anregend, hat eine tolle Schreibe und immer ein tolles Thema auf Lager. Und immer ist er irgendwie beteiligt oder Teil der Szene und zieht regelmäßig große Diskussionen nach sich. Das ist für die Auflage genial.

Für die Aufklärung eine Katastrophe. Denn Schirrmacher ist ein Brandstifter.

Martin Walser Antisemitismus zu unterstellen, ist schlichtweg eine Verleumdung. Das hat selbst der angegriffene Reich-Ranicki nicht getan, der es am besten weiß.

Günter Grass Fehlverhalten vorzuwerfen, das können alle, nur nicht Schirrmacher, über den sich 1996 der Spiegel über Ungereimtheiten in seinem Lebenslauf lustig machte, einmal sei er bei der Bundeswehr Panzerfahrer gewesen, ein andermal jedoch Zivildienstleister.

Und Sarrazins Buch als Mausefallenkonstrukt darzustellen, in das er alle hineintreten lassen will, kann gerade ein Schirrmacher nicht bloßstellen, dessen Bücher alle so sind. Sensationslüsterne, auflagengeile Wichtigthemen, denen Fachleute verkürzendes Halbwissen nachweisen, wo z.B. Ernst Kistler vom Institut für Empirische Sozialökonomie zum Methusalem Komplott schreibt: „Problematisch wird die Sache allerdings dann, wenn demographisch unbedarfte Laien wie Frank Schirrmacher daraus luftige Verbindungen konstruieren“

Und weil das Sarrazin-Bashing so einfach ist, schildert Schirrmacher erst einmal daß vom Bundespräsidenten über Merkel und die SPD runter jeder Anstoß genommen hat, aber keiner das Anstößige gesehen hat - außer ihm. Und Schirrmacher kann all das Anstößige in Sarrazins Buch ganz einfach an zwei Sachen belegen. Sarrazin hätte sich einmal einen Intelligenzforscher zum Kronzeugen genommen, der vorher Eugeniker war und Sarrazin hätte ein andermal gesagt, Deutschland habe seine Intelligenz seit Mitte der sechziger Jahre relativ und absolut in hohem Maße vermindert,(sinngemäß).

Anstoß kann man daran nehmen, daß Schirrmacher die Falschheit der Intelligenzthesen des Kronzeugen Francis Galton allein mit der Tatsache belegt, er sei Eugeniker.
Und Anstoß kann man an Schirrmacher nehmen, wenn er Anstoß am Satz über das gesunkene Bildungsniveau in Deutschland nimmt, obwohl es vom Ausland, von PISA und der deutschen Intelligenz bestätigt wird.

Nicht Sarrazin mangelt es an Seriosität, sondern Schirrmacher.

So ist man nach der spektakulären Vereinnahmung durch Schirrmacher, nach Fortfliegen der Riesenstaubwolken und Heissen Lüfte nicht nur ernüchtert, sondern schliesslich verärgert, ihm auf den Leim gegangen zu sein, weil es diesem hocheitlen Selbstdarsteller zutiefst an Seriosität mangelt.

Ich finde es bemerkenswert, daß die FAZ sich einen Schirrmacher in der Herausgeberriege leistet.