Montag, 24. Oktober 2011

Die jetzige Schuldenkrise ist eine Staatsschuldenkrise, ist eine Staatskrise

– und sie hat nicht gestern begonnen, sondern vor 40 Jahren.

Wie viele Leichen hat Europa im Keller? Mindestens eine, werden Sie sich sofort erinnern, die Landwirtschaft. Fast die Hälfte aller Eurogelder geht in die Unterstützung der Landwirtschaft. Würden wir das Geld streichen, gäbe es einen Aufstand, wäre die Europäische Union am Ende.
Die zweite Leiche sind die Europäischen Verträge. Immer noch unvollendet gehören sie zur Dauerruine Europas, in der weder ein funktionierendes Parlament, noch die entsprechenden Mehrheitsverhältnisse geschaffen wurden. Malta hat dieselbe Stimme wie Deutschland, nämlich eine.

Mit dem Bruch des Maastricht Vertrages zeigt sich aber, was europäische Verträge wert sind, wenn sie auf dem Prüfstand stehen. Nichts. Nicht nur Deutschland hat die Maastrichtkriterien mehrfach verletzt, bei der ersten großen Bewährungsprobe wurde der Vertrag einfach außer Kraft gesetzt.

Die Frage ist doch heute nicht, wieviele Billionen wir Griechenland, Italien und Frankreich hinterherschiessen müssen, die Frage ist die, ob wir den Euro unter Einhaltung der Maastrichtkriterien hätten retten können.

Was wäre passiert?
Die Frage wird keiner beantworten können. Aber eins ist sicher: man hätte nicht "alternativlos" eine Eurostütze nach der anderen gebildet, sondern man hätte sich ernsthaft um Plan B bemüht, die Exit-Strategie.
Die Verfahrensweise, wie man mit Europa umgeht, zeigt spiegelbildlich, wie die Politik mit dem Inland umgeht, mit Deutschland. Auch wenn alle europäischen Länder so sorglos handeln, zeigt das nicht, daß das gut ist. Es zeigt, daß die Politik den grundlegenden Webfehler hat, Probleme nicht zu lösen, sondern sie höchstens für eine Weile unter der Decke zu halten, sie aber letzlich nicht zu beseitigen.
Nehmen wir Deutschland. Mit seiner Wiedergründung nach dem zweiten Weltkrieg ist ein recht ordentliches Staatsgebilde geschaffen worden. Die Anpassung an die sich wandelnden Verhältnisse jedoch ist zu keiner Zeit gelungen. Weder wurde der Föderalismus angepaßt und teure Länder und Kommunen zusammengelegt, noch wurden überflüssige Behörden oder Ministerien gestrichen. Auch bei der Wiedervereinigung gab es keine Reformen und die Aufbauhilfe Ost besteht noch zwanzig Jahre nach ihrer Einführung. Statt zu sparen wurde Jahr für Jahr mehr Geld ausgegeben und den Bürgern obendrein mehr Steuern aufgebürdet. Auf ihnen lasten jetzt 70 Prozent Abgaben, statt der für einen sparsamen Staat möglichen 30. Flankierend wurde die Unabhängigkeit der Bundesbank ausgehebelt und keine Strafbewehrung der Rechnungshöfe geschaffen, so daß die Politik nach Lust und Laune in die Staatskasse greifen darf. Was sie auch reichlich und ausgiebig tut.
Denn etwas anderes, als sich selbst zu alimentieren, schafft sie nicht mehr. Zu sehr hat sie die „demokratischen“ Verhältnisse zementiert und eine Pattsituation geschaffen, wo jede Aktion durch Bundestag, Bundesrat und Eigeninteressen blockiert wird. Den Bürgern wird eine Handlungsfähigkeit vorgetäuscht, die es nicht gibt, die sich lediglich in der Schaffung von mehr Gesetzen, mehr Einengung bürgerlicher Freiheitsrechte und höheren Steuern erschöpft. Selbst verhältnismäßig kleine Probleme wie die Renten- oder Gesundheitsreform bringt die Politik nicht zustande.

Die Bürger sind inzwischen so geschröpft, daß es keinen Mittelstand mehr gibt, sondern nur noch eine kleine Oberschicht (zu denen die Staatsbediensteten gehören) und eine breite Unterschicht, die nicht mehr fähig ist, ihre eigene Zukunftsvorsorge zu betreiben, weder die Ausbildung ihrer Kinder noch die Reparatur ihrer Häuser bezahlen kann, geschweige denn neue Häuser kaufen.

Wie wir sehen, ist die Europakrise nur die Spitze des Eisbergs unseres eigenen gesellschaftlichen Versagens, von dem wir wissen, daß das einem Verfallsdatum unterliegt. Man kann nur hoffen, daß es nicht von einem kommenden Aufstand begleitet wird.

Selbst so hochgeschätzte Leute wie Schmidt oder Steinbrück nennen uns keine Lösungen, sondern blasen in Diskussionen nur heiße Luft oder Zigarettenrauch in die Luft, wie man bei Günter Jauch gestern wieder feststellen konnte.