Samstag, 25. Februar 2012

Afghanistan

ist ein Ort, der mich an das Deutschland des Dreissigjährigen Kriegs erinnert. Zerrissen, zerstört, führungslos im Großen, Grafen und Fürsten im Kleinen, mißbraucht durch Großmächte mit ihren eigenen Interessen. Aber auch die Großmächte werden von den afghanischen Lagern für ihre Zwecke mißbraucht. So wollte der Präsident Taraki 1978 das Land modernisieren, rief hierzu die Sowjets zu Hilfe und wurde von anderen Lokalfürsten daran gehindert. Saudi Arabien und Pakistan unterstützten die Gegner aus religiösen Gründen, die USA, um den Einfluss der UDSSR einzudämmen. Die von den USA mit viel Geld unterstützten Mudschaheddin waren die wichtigsten Verbündeten der USA, mit Bin Laden an ihrer Spitze.

Dieses trostlose Land ist nicht schlechter als Deutschland.
Aber nichts ist gut in Afghanistan, wie Margot Käßmann wiederholte, was viele vorher schon sagten, aber es muß erst einer der Meinungsführer äußern, damit es gehört wird (leider).

Natürlich war es toll, was sich Peter Struck einfallen ließ, als er sagte, Deutschland wird am Hindukusch verteidigt. Zehn Jahre später aber wurde offenbar, daß er genauso hätte sagen können, daß Deutschland in Teheran verteidigt werden müßte, nur fehlt es dazu am damaligen Aufregungspotential. Das wurde durch die USA und ihre Medien produziert. Sehr erfolgreich, wie wir gesehen haben.
Die USA brauchten einen Sündenbock für die spektakuläre erniedrigende und lächerlich machende Zerstörung ihrer Twin Towers. Amerika lechzte nach Blut, wie ein Cowboy nach Revanche. Nichts tun wäre unmöglich gewesen. Darum mußte die Regierung mit Bush und Powell und Condoleeza Rice einen Gegenschlag veranstalten, der die ins Irrationale gehenden Wut der Amerikaner besänftigen und kanalisieren konnte, leider aber gleichzeitig auch alle anderen Interessen der Großmacht befriedigte: Ausdehnung ihres Einflußbereichs, Bedienung der Interessen der größten Industrien, vor allem der Rüstungsindustrie.

Ausgewogen an der Entscheidung, Afghanistan anzugreifen war, daß dies die mildeste Form eines Krieges war. Eher hätten sie Saudi Arabien angreifen müssen, denn von dort stammte Bin Ladin oder Deutschland, denn von dort kam Mohamed Atta.

Aber, wie immer, siegt nicht die Vernunft, sondern der Mangel an Ressourcen. Wenn Kriege angefangen werden, dann dauern sie so lange, bis alle Parteien ausgeblutet oder erschöpft sind. Selbst wenn die erste Schlacht gewonnen ist, wie in Afghanistan oder Irak. Die zweite wird stets verloren und ich kenne keinen Krieg, der erfolgreich war. Immer waren die Sieger die Verlierer.

Nicht nur das. Die Sieger und Verlierer sind die eine Seite. Das Land, die Gegend, die Bevölkerung, die Infrastruktur, der Zusammenhalt der Gemeinschaften, all das wird auf Jahre, Jahrzehnte gestört. Wie bei einem Erdbeben.

Kein Wunder, daß heute in Afghanistan alles am Boden liegt. Schon das kleinste Ereignis, die versehentliche Verbrennung des Korans, genügt, um einen Flächenbrand zu verursachen. Tausend Menschenleben für ein Buch, tausend Tote. Sind denn alle „verrückt“? Ja, das sind sie.
Jedes Land, jede Gesellschaft, jeder Mensch kann verrückt werden. Da sind die Afghanen nicht schlechter als Deutsche. Nur, wenn wir keine Chance haben, keine Perspektive, keine Zukunft, kein Entrinnen aus Höllen, wären wir dann besser als die Afghanen, oder klüger, oder friedlicher? Wir würden die Verbrennung von Bibeln mit einem Achselzucken quittieren.

Würden wir das nach einer endlosen Reihe von Verletzungen immer noch tun?