Heute morgen wachte ich auf und stellte fest, daß ich die 10 Gebote nicht eingehalten habe. Früher als Kind war ich sicher, daß ich gegen keins je verstossen könnte und ich fühlte mich so gut, daß ich mir fast schon fremd war. Aber die 10 Gebote wurden ja nicht für Kinder gemacht, sondern für Erwachsene. Da Ihr sie nicht mehr alle kennt, gehe ich sie nochmal durch.
Die zehn Gebote
1. Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.
2. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht unnütz gebrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht.
3. Du sollt den Feiertag heiligen.
4. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf daß dir´s wohlergehe und du lange lebest auf Erden.
5. Du sollst nicht töten.
6. Du sollst nicht ehebrechen.
7. Du sollst nicht stehlen.
8. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.
10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was sein ist.
Vorbemerkung
Erstaunlich, diese 10 Gebote, wie weit wir uns schon von diesen entfernt haben. Also gegen alle habe ich nicht verstoßen, das eine oder andere bleibt noch übrig, oder. Du sollst nicht stehlen, vielleicht, und ganz gewiß, du sollst nicht töten. Aber mit dem Stehlen ist das so eine Sache. Mit 12 habe ich zwei Aufkleber aus einem Schreibwarengeschäft gestohlen – und es nie wieder vergessen. Und du sollst nicht töten? Ich erinnere mich mit Schaudern, mit welchem Vergnügen ich Frösche gequält und getötet habe. Und wenn ich an die Lust unserer Gesellschaft an Mord in Film und Fernsehen denke, dann könnte man das fünfte Gebot schon mit einem Ergänzungstatbestand versehen: Du sollst anderen beim Töten auch nicht zuschauen. Und wenn ich ganz weit denke, trägt unser egoistisches Verhalten nicht auch zum Tod und Elend der Völker der Dritten Welt bei? Sicherlich sind wir da sorglose Schreibtischtäter.
Und dann stellt man fest, daß die größten Mörder die beliebtesten Herrscher waren. Lenin, Hitler, Mao. Ganze Heerscharen pilgern ehrfürchtig zur Kremlmauer, wo Stalin liegt. Und da gab es noch Qin, den Gründer Chinas, der so lange getötet hat, bis alle seiner Meinung waren. Gewiß haben sie alle anderen neun Gebote eingehalten. Nur das fünfte, das haben sie ignoriert. Angesichts der vielen Kriege, Morde und Toten fragt man sich sogar, ob der liebe Gott nicht an erste Stelle gehört – er ist ja auch beliebt und läßt nichts ungestraft, wie das zweite Gebot verkündet. Darum wird man den Verdacht nicht los, daß nicht Gott, sondern ein weltlicher Fürst die 10 Gebote gemacht hat, um sein Land besser im Griff zu haben. Die zwei vorangestellten Gebote dienen dem Frieden seiner Herrschaft und die nachfolgenden dem Frieden innerhalb der Untertanen.
Die Einhaltung der Gebote macht glücklicher
Zum ersten Gebot
Fangen wir nochmal mit dem ersten Gebot an: ich habe einer gläubigen Christin gesagt, ich könnte auch in einer Moschee zu Allah beten, das wäre ja der gleiche Gott. Nein, sagte sie, Mohammed betet einen Götzen an. Da haben wir also schon ein Problem mit den Göttern, die keinen neben sich haben dürfen.
Zum zweiten Gebot
Beim zweiten Gebot straft der liebe Gott die Gläubigen, die den Namen Gottes mißbrauchen. Aber was ist mit den Ungläubigen. Die können den Namen ihres Gottes ungestraft mißbrauchen, gehen straffrei aus, da ihr Gott ja nicht Gott ist. Aber die Ungläubigen werden spätestens beim Fegefeuer erwischt. Auch die, die noch nie was von Gott gehört haben. Unwissen schützt eben vor Strafe nicht, weiß jeder Richter. Und man fragt sich, warum Gott nicht großzügiger sein könnte, wo doch nur ein Sechstel der Menschheit Gott kennt.
Zum dritten Gebot
Du sollst den Feiertag heiligen. O Gott, wie weit haben wir uns von diesem Gebot entfernt. Kaum einer mehr geht in den Gottesdienst. Nur noch Autowaschen und Rasenmähen ist verboten, aber alles andere erlaubt.
Zum vierten Gebot
Du sollst Vater und Mutter ehren. Hab ich getan, obwohl es mir manchmal schwer fiel. Jedoch, ich bin ihnen zur Last gefallen, sie mir nicht. Darum ehre ich sie umso mehr. Aber was ist mit der Ehrung von Vater und Mutter, wenn sie mit immer schlechterer Altenpflege einhergeht. Geht mich bei anderen ja nichts an, könnte aber ein Problem bei mir selbst werden. Insgesamt aber finde ich es ein schönes Gebot, weil es am leichtesten einzuhalten ist und die Kinder zu meiner Pflege anhält, wenn ich alt bin.
Zum fünften Gebot
Du sollst nicht töten. Kann man so stehen lassen. Nein, an sich ist das fünfte Gebot das erste mit absoluter, ja mit höchster Berechtigung. Alle vier Gebote vorher stehen in der Bedeutung unter diesem. Hier erst wird es konkret, auch für Ungläubige. Aber wie immer kann auch ein so eindeutiger Satz zerredet werden. Was ist mit den Soldaten, was ist mit denen die sich nur wehren. Und was ist mit den Ungläubigen, die getötet wurden, weil sie nicht glaubten. Und was ist, wenn wir erkennen, daß die Ungläubigen genau so häufig töten wie wir, der Glaube also nicht hilft, weniger zu töten. Die Bibel ist da selbst voller Widersprüche, wenn ich an David und andere Geschichten denke. Bertrand Russel ist aus der Kirche ausgetreten, weil er die Christen in vorderster Front der Mörder sah.
Zum sechsten Gebot
Du sollst nicht ehebrechen. Obwohl diesem Gebot eine weise Berechtigung zugrundeliegt, wird es leider so wenig eingehalten wie das fünfte. Wieviel Elend kam über den Ehebrecher, weil er seine Frau und seine Kinder im Stich ließ, wieviel Elend brachte er über die Sippen, die sich sofort verfeindeten und bekriegten. Es steht wohl deshalb hinter dem fünften, weil der Ehebruch oft Mord und Totschlag nach sich zog. Früher. Heute weniger, da sind die Schäden für Partner und Kinder da, aber werden abgefedert durch eine weniger strenge Gesellschaftsstruktur. Man lebt eben nicht mehr unter einem Dach oder in einer Wagenburg zusammen, wo man den Ehebrecher täglich sieht. Man kann verschwinden, mit dem neuen Ehepartner in ein anders Viertel ziehen, in eine neue Stadt. Zurück bleibt ein geteilter Freundeskreis, der das verkraftet, der sogar nach einiger Zeit wieder zusammenfindet, wie die Partner manchmal auch. Oder immer öfter. Die Möglichkeit, andere Leute kennenzulernen ist gestiegen, das Lebensalter auch. Darum nimmt die Zahl der Ehescheidungen zu. Jeder dritte läßt sich inzwischen scheiden, die Zahl der Ehebrecher ist noch höher.
Zu den letzten Geboten
Und dann kommen die Gebote acht, neun und zehn, die alle etwas mit geistiger Unabhängigkeit zu tun haben. Du sollst deinen Kopf freimachen von Gier und Neid. Dann lebst du glücklicher. Da die Gebote nicht für dich allein, sondern vor allem für die Gemeinschaft gemacht sind, kommt diesen Geboten noch größere Bedeutung zu. Die Gemeinschaft lebt freier, je stärker diese „Freiheiten“ eingeschränkt sind.
So laßt uns denn noch einmal innehalten. Selbst wenn es keinen Gott gibt, dem ich gehorchen müßte: die Einhaltung der 10 Gebote macht glücklicher als deren Nichteinhaltung. Auch wenn ich aufwachte in der Erkenntnis, keins eingehalten zu haben, kann ich morgen wieder anfangen sie zu befolgen (oder sollte es doch eher heute sein). Insofern bei aller Kritik an der Religion. Es gibt sie noch, die Regeln, die weiterhin ihre Berechtigung für Lebensglück haben.
Nachbemerkung
Man könnte naiv meinen, auch die heutige Regierung könnte die 10 Gebote erlassen. Aber schon die Gebote eins und zwei könnte sie kaum glaubwürdig übersetzen. Auch hätten sie sicherlich Probleme, den strafbewehrten Katalog auf 10 zu reduzieren, sie kann sich ja noch nicht einmal mit dem Zehnten zufriedengeben. So würde „Du sollst nicht töten“ sicherlich ergänzt mit „vor allem keine kleinen Kinder“. Und „du sollst nicht ehebrechen“ ergänzt „mit Ausnahme eingetragener Lebenspartnerschaften“. Und das neunte und zehnte Gebot würde ersatzlos gestrichen, da das reine Begehren nicht strafbar ist.