Wir gehen vom Berliner Tor zu Fuß zum jüdischen Mahnmal. Da ist es, sage ich zu Theres. Mein Gott, sagte sie, ein Parkplatz mit viel Schnee auf den Dächern abgestellter Autos. Der ganze Platz hinter der amerikanischen Botschaft zugestellt und keiner fährt weg. Kein Park zum Flanieren oder Ausführen der Hunde für die angrenzenden Wohnblocks, stattdessen eine chaotische Steinwüste, trotz strenger Ordnung von Ost nach West und Nord nach Süd.
Vorsichtig betrete ich die Stätte, gehe hinein, um mich immer tiefer hineinziehen zu lassen. Der Boden senkt sich nach unten, die Säulen werden nach oben immer höher. Bald bin ich in einem Steinwald, wie ein Schachbrett gegliedert. Nur, jedes Feld ist besetzt, die Linien dazwischen geben die Sicht nach vorn und zur Seite frei. Schau mal, sagt Theres, kaum fertiggestellt, schon stehen einige Steine schief. (Das ist gewollt, sagt mir ein Freund später). Wir sind jetzt mittendrin, aber so geordnet fühlen wir uns doch nicht verloren. Die Botschaft wird mir zu glatt vermittelt. Jede Stele ein Sarg, tausend Särge, typisch deutsch, penibel geordnet. Die Geometrie der Vernichtung oder was immer auch man plakativ kommentieren kann. Hier herrscht keine Ratlosigkeit, hier wird das Ungeheuerliche didaktisch aufbereitet wie im Heimatkundemuseum von Neandertal (und mit der Zeit gerät die Ordnung des Todes etwas ins Wanken, flüstert mir mein Freund verspätet zu). Ich streiche über die Oberfläche des grauen Beton. Seidig wie die Wände von Tadao Ando. Lassen nichts rein und nichts raus, auch keine Gefühle. Im Unterschied zu Dani Karavan in Köln, wo mir die Tränen kamen. Eine Schiene führt dort auf eine Stele zu, mit schmalen Schlitzen in der Mitte. Sechs aufeinandergeschichtete Steinblöcke in Schwarz und Weiß. Furchterregend, abweisend. Maalot: Mit dem Zug werden die Juden in die Vernichtungslager gefahren, durch ein Tor, das sie nur tot passieren können.
Warum so groß, frage ich mich in Berlin, hätte nicht ein kleinerer Raum im Tiergarten genügt. Braucht Trauer Platz, kann sinnloses Verbrechen nur durch sinnlose Raumvernichtung dargestellt werden? Oder ist es der deutsche Perfektionsdrang, auch in der Selbstzerknirschung alle zu übertreffen. Darf man dabei auch heucheln, wie unsere politischen Schröders, die jeden Tag unbegrenzte Solidarität mit den Israelis verkünden.
Irgendwo haben die Juden das nicht verdient, denke ich, dem sinnlosen Tod diese sinnlose Monstrosität hinzuzufügen. Hätten mehr Würde verdient und nicht die Nacherzählung des Chaos.
P.S. Ging dann durch die Hamburger Strasse zum Mendelssohnpark. War entsetzt über den Sicherheitszaun, der sowohl das jüdische Gymnasium wie den Park wie einen Hochsicherheitstrakt abgrenzt. Ist das die Zootierhaltung einer aussterbenden Rasse oder wollen wir den Mauerbau der Israelis auf ewig fortsetzen?
In Köln bewacht keine Polizei das Maalot Denkmal.