Donnerstag, 11. März 2010

Avatar – Aufbruch nach Pandora

von James Cameron

Der Film ist in erster Linie pure Unterhaltung und will es auch vorrangig sein. Darum zeigt er anspruchsvollste Filmtechnik und Animation auf höchstem Niveau und schwelgt opulent in Bildern, die Erde, Weltall und Regenwald miteinander verbinden. So ist auch die Story. Die Botschaft ist denkbar einfach. Hier der hochtechnisierte Mensch mit seinem ungeheuren Rohstoffbedarf, dort die Bewohner des Regenwaldes, die deswegen brutal vertrieben werden. Der Film steht - anders als im richtigen Leben - auf der Seite der Schwächeren und sorgt für ein Happy End, quasi als virtuelle Wiedergutmachung an Afrikanern und Indianern. Kein Wunder, daß sich Teile des Establishments sowohl in Amerika, wie in Russland und China kritisiert fühlen und den Film verbieten wollen. Sie alle sehen ihre Ausbeutung eher als Entwicklungshilfe und empfinden den Film als Aufruf zum Klassenkampf.

Das einfache Volk hingegen versteht den Film als das, was er ist: pure Unterhaltung. Da gehen die Massen mit Popkorntüten und Colabechern hin und schauen schöne schlanke Wilde an mit kunstvoller Laufstegfigur. Und sie werden mit überwältigenden Bildern eines künstlichen Regenwaldes, Tieren aus einer neuen Saurierzeit und Ritten auf Flugechsen überschüttet. Bilder aus der Welt von Tarzan und Jane werden in die Zukunft katapultiert und alle Klischees wiederverwendet, die bei Sigurd, den Wikingern, Trappern und Eroberern erfolgreich waren. Und zum Schluß siegt die Liebe über den Haß und die Schwachen über die Starken, wenn sie sich denn gemeinsam wehren. Die Wilden haben ihn noch, den Kontakt zur Natur, während die Zivilisierten keine andere Orientierung mehr haben als den puren Profit.

Und das Wilde, Ursprüngliche wird noch verlockender dadurch, daß die Avatare eigentlich alles haben, was unsere Neuzeit hat. Sie klettern wie Weltmeister im Freeclimbing senkrechte Felsen hoch, fliegen durch die Lüfte wie Springhörnchen oder benutzen eine Flugechse als Luftfahrzeug und sie können sogar ohne Handy miteinander kommunizieren – auch mit ihren toten Vorfahren.

Man läßt sich gerne einlullen von dieser Sicht, auch wenn die Frage nicht beantwortet wird, ob die Bedürfnisse von einer Milliarde Menschen nicht denen von einigen tausend vorgehen, und ob nicht auch hier Regeln der Verhältnismäßigkeit zu beachten sind, die bei Krötentunneln und Zwergohrfledermäusen leider mißachtet wurden. Und noch weniger wird thematisiert, daß wir als Erben dieser edlen Wilden ihre Eigenschaften seit Jahrtausenden von Jahren ja noch nicht losgeworden sind: Mord und Totschlag und die Gier, uns gegen andere zu bereichern.

Wir wollen alle ins Paradies zurück, den Film von Adam und Eva rückwärts laufen lassen, wo Mensch und Natur noch eins waren. Aber wir vergessen, daß eher Kain und Abel unseren Alltag geprägt haben. Und darum wird noch der letzte Indianer erschossen und der letzte Wal harpuniert und gleichzeitig die Filme darüber mit Tränen in den Augen und Popcorn in der Hand begleitet. Und ganz zum Schluss steht die kleine Geschichte, wo sich ein schöner grüner und ein häßlich brauner Planet treffen und der grüne fragt, warum bist du denn so braun und der sagt, ich habe Menschen. Und der schöne grüne sagt: hatte ich auch mal.

P.S. Am schlechtesten ist der Film da, wo er zu kitschig wird, mit Seelenbaum und Hare Krishna Gruppenbeschwörung. Am schönsten ist der Film da, wo Sigourney Weaver in geschlossenen Arbeitsräumen raucht - shocking.