Dienstag, 20. April 2010

Der Flugverbotsskandal

Am Mittwoch, dem 14. April 2010, brach ein Vulkan auf Island aus, am Donnerstag erließen die Nordeuropäer ein Flugverbot und am Freitag zog fast ganz Europa nach. Es war der schwerste und kostspieligste Vorfall seit Beginn der Luftfahrt. Grund hierfür waren mehrere Zwischenfälle, verursacht durch Vulkanasche vor allem in den Achtzigern, bei denen Flugzeuge schwer beschädigt wurden – aber nicht abstürzten. Aufgrund der Vorfälle hat die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) Vorgaben erarbeitet, die das Volcanic Ash Advisory Centre (VAAC) in London computergestützt überwacht. Deren Empfehlungen waren dann Grundlage für das Flugverbot der Länder.
Zum Verständnis unserer bürokratischen Realität muß auch noch erwähnt werden, daß zusätzlich die Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol in Brüssel und die deutsche Flugsicherung (DFS) eingeschaltet sind. Letztlich verantwortlich jedoch ist jedes Land und der Verkehrsminister.

Soweit ist die Welt noch in Ordnung. Doch jeder Unternehmer hätte sich sofort mit Nachdruck darum gekümmert, das Flugverbot so schnell wie möglich wieder aufzuheben, und er hätte laufend geprüft, ob die Gefahrenlage noch besteht. Denn das Flugverbot kostet Geld und ist eine Katastrophe, einem Erdbeben oder Kriegsfall vergleichbar. Darum erfordert es außergewöhnliche Anstrengungen, gemeinsam, konzertiert, mit allen Kräften.

Was aber machte der Verkehrsminister des größten europäischen Landes? Peter Ramsauer heißt er (nur für die Nachwelt). Er ging ins wohlverdiente Wochenende.

Denn er erteilte:

Keine Anweisung, die Laser-Meßstationen mit Nachdruck reparieren zu lassen: sechs von sieben waren nicht betriebsbereit.

Keine Anweisung, das einzige Meßflugzeug in Deutschland für Vulkanasche sofort startklar zu machen, nicht Freitag, Samstag oder Sonntag. Montagmittag war ja noch Zeit genug.

Keine Anweisung, die Gefährdungslage durch Erkundungsflüge zu überprüfen. Mit einfachsten Methoden hätte man das schon ab Freitag mit Flugzeugen der Bundeswehr machen können, in ganz Deutschland, in allen Flughöhen, morgens, mittags, abends und
nachts. Dazu braucht man noch nicht einmal Abitur.

Keine Anstalten, einen runden Tisch mit den Fluggesellschaften zu bilden, um die Notwendigkeit des Flugverbots laufend zu überprüfen. Stattdessen haben die Fluggesellschaften am Samstag selbst Tests durchgeführt und keinerlei Ascheschäden festgestellt.

Keine Reaktion auf die Ergebnisse der Fluggesellschaften, sondern stattdessen übelste Unterstellungen, bei ihnen ginge Profit vor Menschenleben, womit die Erkenntnisse der Fluggesellschaften lächerlich gemacht wurden. Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Staatsbürgern, denen man ja in bestmöglichster Form verpflichtet ist, sieht anders aus. Vor allem, wenn man in deren wirtschaftliche Existenz treuhänderisch eingreift.

Keine Bemühungen, die Fluggesellschaften in irgendeiner Weise über die Kriterien aufzuklären, nach denen das Flugverbot erteilt worden ist. Fast muß man annehmen, daß der Minister sie selber nicht kennt, er hat ja seine Fachleute. Ebenso wenig hielt er es für nötig, die Bürger über die Kriterien zu informieren, den Souverän der Regierung, wie es vor Wahlen immer so schön heißt. Daß hier Handlungsbedarf besteht, zeigt die anberaumte Europa-Konferenz der Länderminister zur Neuordnung der Kriterien. Denn ein Flugverbot hätte in dieser Form niemals erteilt werden dürfen. Es stand außerhalb jeder Verhältnismäßigkeit. Unverantwortlich, es flächendeckend ohne Ausnahmen zu erteilen. Wie kann man Erfahrungen sammeln, wenn man sie nicht ermöglicht, zumal noch kein Flugzeug wegen Vulkanasche abgestürzt ist. Gefährdet jedoch sind Menschenleben gerade durch das Flugverbot - wegen mangelndem Transport lebenswichtiger Güter, Medikamenten usw.

Wie absurd das alles ist, zeigt die Frage, ob der Minister immer noch an seinen Kriterien festhalten würde, wenn sich die Gefährdungslage über Monate nicht ändern sollte. Fliegt er dann nicht zur Fußballweltmeisterschaft nach Südafrika oder stellt der Vulkan vorübergehend seine Tätigkeit ein?

Das Ganze ist auch deshalb ein Skandal, weil die Staatsverwaltung das Flugverbot wie eine Baustelle auf der Autobahn behandelt. Auch da wird am Wochenende nicht gearbeitet. Daß Staus ein Vielfaches von Sonntagsarbeit kosten, interessiert ja nicht wirklich. Bürokratie as usual. Ob hier eine Volkswirtschaft gefährdet wird, daß die „Staatsdiener“ sich gegen die Bürger stellen, das ist ihnen gar nicht bewußt oder auch egal.

Deshalb macht der Flugverbotsskandal eine viel grössere Katastrophe sichtbar:
den Mangel an Eliten im Staatsdienst.