Der Vorfall
Am Mittwoch, dem 14. April 2010, brach der Vulkan Eyjafjallajökull auf Island aus, am Donnerstag schlossen Norwegen, Irland und Dänemark ihren Luftraum und am Freitag zogen Deutschland und fast ganz Europa nach. Das Risiko wäre zu hoch, sagten Experten. Turbinen könnten durch die in die Atmosphäre gewirbelte Asche beschädigt werden und ausfallen.
Als das Flugverbot am Samstag, dem 17. April immer noch aufrechterhalten wurde, sagte der Chef von Air Berlin, Hunold, daß er das vorbeugende Flugverbot selbstverständlich unterstütze, nicht aber dessen Aufrechterhaltung. Die Gefahrenlage sei ausschliesslich anhand von Computerdaten der Firma "Volcanic Ash Advisory Statements (VAAS)" in London ermittelt und nicht gegengeprüft worden. Von Lufthansa und KLM kam die gleiche Kritik. Bei am Samstag durchgeführten Testflügen hätte überhaupt keine Vulkanasche mehr festgestellt werden können. Alle drei Fluggesellschaften kritisieren, daß die Flugsicherung und die staatlichen Behörden keine Überprüfungen der computersimulierten Szenarien vorgenommen hätten. Dem widersprach die deutsche Flugsicherung, sie hätten bei Lasermessungen in München sehr wohl Vulkanasche festgestellt. Den Luftfahrtgesellschaften wurde Profitinteresse unterstellt. Menschenleben gehen vor, sagte Verkehrsminister Peter Ramsauer am Sonntag und verlängerte das Flugverbot auf Montag. Es könne bei anhaltender Gefahrenlage noch Tage aufrechterhalten werden.
Die Vorgeschichte
Auslöser der Flugverbote war ein Vorfall vor Jakarta 1982, wo alle vier Triebwerke eines Jumbojets ausfielen, als dieser in 11.000 Meter Höhe durch eine Aschewolke flog. Erst in 4100 Meter Flughöhe gelang es, die Motoren wieder zu starten. Weil die Asche die Frontscheibe förmlich sandstrahlte, flogen die Piloten ohne Sicht. 1989 fielen ebenfalls die Triebwerke eines Jumbojets auf dem Flug nach Anchorage aus, nachdem er in eine Aschewolke geraten war. Insgesamt 80 Vorfälle aus den vergangenen 20 Jahren sind belegt, ohne Absturz aber mit Reparaturkosten von hunderten Millionen Euro. Deshalb kümmert sich die internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO mit einer "Studiengruppe Vulkanasche" seit 1982 um das Problem, in enger Zusammenarbeit mit meteorologischen Instituten und speziellen Warncodes für Vulkanasche.
Verantwortlich für die Flugsicherheit jedoch ist jedes Land selber. Der Verkehrsminister trifft die Entscheidungen. Dabei stützt er sich auf die Empfehlungen des Volcanic Ash Advisory Centre (VAAC)in London nach Vorgaben der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) und den Empfehlungen der Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol in Brüssel und der deutschen Flugsicherung (DFS).
Die Kritik
Angesichts der Empfehlungen war die Verhängung des Flugverbots für Deutschland und Europa die einzig richtige Maßnahme. Allerdings hätte sie angesichts der großen Tragweite sofortige flankierende Maßnahmen erfordert. Denn die Schäden sind mit denen eines Erdbebens durchaus vergleichbar. Dazu hätten umfangreiche Kontrollen des Ausnahmezustands gehört. Das alles ist nicht geschehen. Von sieben Lasermess-Stationen waren sechs in Wartung und das einzige Messflugzeug war nicht startklar und wurde erst Montagmittag eingesetzt. Man hat das Gefühl, als ob die Verantwortlichen sich gar nicht darüber im Klaren waren, was ein Flugverbot anrichtet. Sich ausschliesslich auf computergestützte Daten zu verlassen, ist angesichts der ungeheuren Tragweite sträflich. Verantwortliches Handeln sieht anders aus.
Gehandelt stattdessen haben die Fluggesellschaften. Sie haben die am Wochenende genehmigten Ausnahmeflüge auch als Test genutzt und keinerlei Ascheschäden festgestellt. Das alles hätte Herr Ramsauer in einer konzertierten Aktion zusammen mit ihnen bereits ab Donnerstag festlegen können. Man hätte mit den Fluggesellschaften auch die Kriterien besprechen können, nach denen Flugverbote ausgesprochen werden. Die Asche befindet sich ja in unterschiedlicher Dichte und in unterschiedlichen Höhen. Hier haben die Vorstände ja durchaus annehmbare Vorschläge gemacht und Korridore vorgeschlagen, die man freigeben könnte. Ihnen Profitgier zu unterstellen, ist wohl das letzte, denn sie haben die Schäden an den Flugzeugen in erster Linie zu tragen und die sind immens, wie man an den Vorfällen der Vergangenheit sieht. Stattdessen sind sie bis heute, wie alle Bürger übrigens auch, noch nicht einmal über die Kriterien aufgeklärt worden, nach denen ein Flugverbot ausgesprochen wird. Man wird das Gefühl nicht los, als ob sie auch ein Herr Ramsauer nicht kennt, denn ansonsten müßte man zu deren Überprüfung keine Konferenz der Fachminister anberaumen.
Irgendwie denkt man, die Verantwortlichen wollten erstmal ins Wochenende und dann weitersehen. Auf die Kritik reagierten sie ausgesprochen empfindlich. Sie wurde sie als vollkommen haltlos zurückgewiesen, was jedoch nicht im Detail begründet wurde und zweitens wurde das Flugverbot sofort auf Dienstag verlängert. Außerdem wäre von einer Wetterstation in Zürich Vulkanasche gemessen worden und zwei Starfighter hätten Ascheschäden. Man sammelt Fakten, um sich später nichts vorwerfen zu lassen.
Nachwort
Unglücke dieser Art machen sprachlos, wie hilflos ein Staat reagieren kann. Staat ist ja leider das falsche Wort, denn es ist ja nur ein kleiner Teil, der das Sagen hat. Was sprachlos macht, wie verantwortungslos dieser Teil mit dem Sagen umgeht. Eigentlich müßte man annehmen, daß bei denen, die die Macht ausüben dürfen, der größte Sachverstand vorhanden ist. Und man ist sprachlos, daß es genau umgekehrt ist, daß hier die offensichtlich größte Dummheit regiert. Ein Prozent Inkompetenz kujoniert den Rest. Herr Ramsauer hat sich ja diesbezüglich schon geoutet: Notfalls werde das Flugverbot auf Tage und Wochen ausgedehnt – eben so lange, wie die Wolke über uns schwebt.
Schön! Ich möchte sehen, was passiert, wenn Herr Ramsauer in Urlaub fliegen will oder zur Fußballweltmeisterschaft nach Südafrika. Wir wissen es ja alle: dann werden einfach die Richtlinien geändert oder andere Messdaten aus dem Hut gezaubert. So machen wir es doch immer, gell? So halten wir es doch auch mit dem Feinstaub in den Innenstädten, wo wirkungslose Sperren allein dem politischen Image dienen.
Diese Flugverbote sind aber im Gegensatz zu den billigen "Innenstadtmaßnahmen" kein Kinderspiel, sondern blutiger Ernst. Menschenleben werden hier gefährdet, gerade weil Flugverbote aufrechterhalten werden. Medikamente, Krankentransporte, Lebensmittel, Existenzen und nicht zuletzt die Toten und Verletzten, die auf der Strasse sterben, weil sie nicht fliegen konnten.