Ich meine den, ja genau, den bayrischen Ministerpräsidenten. Aber den meine ich gar nicht. Ich meine uns. Wir, die wir nicht in der Lage sind, die Politik, die Medien, und uns selbst auf Wahrheiten und Weisheiten zu verpflichten. Die Wahrheiten heissen, dass wir in den letzten Jahrzehnten Ausländer zu uns haben ziehen lassen, die wir gar nicht haben wollten. Die Wahrheiten heißen, daß wir sie sich selbst überlassen haben, obwohl wir das gar nicht wollten, daß sie Türkisch sprechen und Fladenbrot essen statt Brötchen. Wir wollten nur Deutsche um uns haben und nur solche Ausländer, die deutsch sprechen. Und das gaukelten wir uns vor, indem wir die Fremdarbeiter, Gastarbeiter, Italiener, Portugiesen, Türken einfach ignoriert haben.
Nach Jahrzehnten des Totschweigens kommen wir ein bisschen bei uns selbst an. Die schweigende Mehrheit, wir, feige wie immer, denn sonst würden wir nicht schweigen, die Medien, lehnen sich noch zum Fenster raus und nageln jeden an den Rahmen, der gegen die politische Korrektheit aufbegehrt, der keine Ausländer mehr haben will, und die Politiker rufen unverdrossen, wir sind ein Einwanderungsland, obwohl wir nie eins waren. Jeder beschuldigt jeden. Die Presse und die Politiker gegen die wenigen, die sich gegen den öffentlichen Konsens auflehnen. Die schweigende Mehrheit gegen die Presse und Politiker, weil sie ihre Gefühle nicht wahrhaben will. Jeder zerfleischt jeden, auch wenn er genau dessen Meinung ist. Eben nur, weil jeweils der andere die Wahrheit gesagt hat und nicht man selber. Und jeweils jeder wirft dem anderen Rassismus, Antisemitismus, Antiislamismus und Fremdenfeindlichkeit vor. Als ob wir nicht wüssten, dass wir alle von allem alles haben. Wir heucheln uns nur perfekt durch.
Nehmen wir mal einfach belastbare Fakten. Wieviel Ausländer verträgt das Land. Zehn, zwanzig, dreissig fünfzig oder mehr Prozent. Können Sie das beantworten? Wohl eher nicht. Sie würden sagen, weiß ich nicht, auch ich würde vorsichtig sein. Was heißen kann, daß unser Land eigentlich Null Prozent Ausländer verträgt, weil es schon genug Bayern und Hamburger verkraften muß. Die herrschende Meinung sagt, daß wir unbedingt Ausländer brauchen, weil wir ein aussterbendes Volk sind. Die anderen sagen, wir sind ein Einwanderungsland, und akzeptieren die normative Kraft des Faktischen völlig ungeregelt. Ich sage, wir sind kein Einwanderungsland, weil wir keine Einwanderung benötigen. Wer zu uns kommt, muß sich unseren Regeln unterwerfen.
Und genau diese Regeln war die Politik seit Jahrzehnten nicht bereit aufzustellen.
Wie immer regelt der Staat nicht die Dinge, sondern die Not den Staat. Erst, wenn die Dinge stinken, nehmen sich die „Verantwortlichen“ ihrer an. Notgedrungen. Obwohl die schweigende Mehrheit das Handeln des Staates vergeblich angemahnt hat, mußte erst einer kommen wie Sarrazin. Hat ja selber Fehler gemacht. Wo war er, als er als Finanzminister von Berlin noch etwas in diese Richtung bewegen konnte? Da hätte er ja viel mehr Durchsetzungskraft für seine Thesen gehabt. Hat also versagt. Wie wir alle. Wir machen nur die Schnauze auf, wenn wir in trockenen Tüchern sind. Ist nicht richtig. Ist aber auch nicht falsch. Kommt noch rechtzeitig, oder manchmal.
Nachdem man den Propheten gekreuzigt hat, ist man sein glühendster Anhänger. So auch bei Sarrazin. Merkel, sagt, der Islam müsse sich bei uns an unsere Regeln halten, Seehofer sagt, wir brauchen einen Zuzugsstopp bei Türken und Arabern. Aufschrei vor allem bei den Medien. Obwohl ganz vernünftige Leute dasselbe dazu äußern. Zum Beispiel der hochangesehene Historiker Wehler:
Wer einmal die penible Genauigkeit gesehen hat, mit der kanadische Einwanderungsbehörden prüfen, ob Migranten die Sprache ihres neuen Landes können, welche Qualifikation sie haben und ob man Integrationsbemühungen nachvollziehen kann, der weiß, was möglich ist. Hier wurde man schon als Rassist bezeichnet, wenn man sich für Einwanderungsquoten je Herkunftsland aussprach.
Damit hat er nicht anderes gesagt als Seehofer. Nur feiner.