Es ist toll, wie schnell sich alle tonangebenden Gruppen in Deutschland nach Sarrazins Buch zerstritten haben. Die Journalisten warfen ihm noch vor dessen Erscheinen Rassismus und Brandstiftung vor, dem sich die Politiker, Juden und Muslime sofort anschlossen. Die schweigende Mehrheit bejubelte ihn, daß endlich einer den Finger auf die lange totgeschwiegene Wunde der fehlenden Integrationssteuerung in Deutschland legte. Die ohnehin rückgratlose Gruppe der Journalisten zerfiel schnell in zwei Teile, wovon die einen im Lager der Rassismus- und Brandstifter-Vorwürfe blieben, weil sie sich zu sehr aus dem Fenster gelehnt hatten, während sich die andern eilfertig auf die Seite der Sarrazin-Befürworter schlug. Mit den aberwitzigen Folgen, daß Merkel ihren Sarrazin als nicht hilfreich bezeichnete, aber gleichzeitig einen islamkritischen Karikaturisten für seinen Mut ehrte. Sarrazin wurde mit dem Ausschluss aus der Bundesbank bestraft, während Seehofer mit seinen Äußerungen im Amt bleiben darf. Lustig ist die Diskussion deshalb, weil Politiker und Journalisten Sarrazin als fremdenfeindlich brandmarken, um ihn in einem Atemzug mit viel weitergehenden Vorschlägen zu übertreffen.
Denn lange Zeit war totenstille. Alle in Deutschland haben sich durchgeheuchelt mit ihrer Vorzeige-Multikulti-Liebe. Keiner ausgenommen. Am wenigsten die Journalisten und Politiker.
Ich kürze mal ab: dieser bekloppte Sarrazin hat alle aufgemischt. Da gibt es die euphorisch reagierende „schweigende Mehrheit“, die endlich ihren „Rechtsradikalismus“ austoben darf, da gibt es die betretenen Politiker, die alles immer schon getan hätten, wenn die Opposition sie gelassen hätte und da gibt es die Journalisten, die immer auf alles aufmerksam gemacht haben, nur die Politiker haben es nicht gemacht.
Wenn ich mal ein Ranking (schönes Wört) machen würde, ist die schweigende Mehrheit die dööfste.
Am Ende treffen sich alle in der Paulskirche, um sich zu vergewissern, wie sophisticated sie doch alle sind. Lokalrunde: Sekt für alle!