Dienstag, 5. Oktober 2010

Stirling-Preis 2010

Vorige Woche war ich mit meiner Frau und meinem 28 Jahre alten Sohn Julius, Architekt, im Maxxi in Rom. Das Museum strahlte weiss in der Mittagssonne, die Besucher flanierten glücklich über den großen Vorplatz oder strömten ins Museum. Die dort ausgestellte Kunst bestand aus vielen zeitgenössischen Konstrukten, die uns jedoch überwiegend kalt liessen, ja ratlos machten, warum gerade sie den Weg ins Museum gefunden hatten, daß gerade für sie ein so teures Museum nötig war. Da liegen Steine herum, aus Nationalflaggen genähte Iglus, eine Holzhütte mit Zeitungsausschnitten innen, rechteckige Schalen mit Wasser gefüllt und Öl, welches durch die Kerben großer Kanthölzer fließt. Ein großer Raum ist mit geschmacklosem Leder tapeziert, ansonsten ist er leer. Nur im obersten Stock ist man überwältigt von der großartigen Kunst des genialen Gino de Dominicis.

Beim Abgehen der Räume fragten wir uns aber zusehends, what on earth die Stadt Rom dazu gebracht hat, an dieser Stelle ein Museum zu bauen, eingekastelt von Polizeikasernen und ähnlich kasernierten Wohngebäuden drumherum. Und noch mehr fragten wir uns, was on earth Zaha Hadid geritten hat, hier ein so spektakuläres Monstrum hinzusetzen, was mit seiner Kulissenarchitektur nach freien Räumen geradezu schreit. Und wir erinnerten uns sofort an Vitra Weill, an die spektakulär schöne Feuerwache von Hadid, die ebenfalls wie abgestellt auf dem Firmengelände steht: es scheint Zaha Hadid gar nicht zu kümmern, wo ihre Gebäude stehen. Wahrscheinlich war sie auch nie vorher an den Plätzen, wo ihre Solitäre leben sollen. Es ist ja bezeichnend, daß ihr Museum auf der Webseite von RIBA auf einem virtuell freien Platz gezeigt wird, den es nicht hat. www.architecture.com/Awards/RIBAStirlingPrize/RIBAStirlingPrize2010/MAXXINationalMuseum/MAXXINationalMuseum.aspx

Und schließlich fragten wir uns, was um Himmels willen die Römer geritten hat, dieses Monstrum der Eventarchitektur so kritiklos umzusetzen. Das ganze Gebäude besteht aus Ecken und Winkeln, aus Vorsprüngen und Einschnitten, aus Gläsern und Lamellen, die aufwendig gereinigt werden müssen. Daran, daß bereits ein Großteil der Glasgänge, Dächer und Nischen nach so kurzer Zeit verschmutzt waren, sahen wir, daß diese Reinigungskosten nicht eingeplant sind. In die Decke eingelassene Leuchtbänder hatten schwarze Löcher da, wo Neonröhren ausgefallen waren. Die werden ausgewechselt, indem man mit der Ersatzröhre über eine Leiter durch eine kleine Luke in die Zwischendecke kriecht. An anderer Stelle mussten in einem fünf Meter hohen Raum mit dem hauseigenen Scherenhubwagen mit vier Mann Putzarbeiten an der Decke ausgeführt werden. War ein Quadrat fertig, wurde der Wagen manuell weitergeschoben.

Den größten Schock aber bekommt man, wenn man auf den langen Wegen durchs Museum mit der schlampigen Bauausführung konfrontiert wird. Die nackten Betonwände mit den markanten Befestigungslöchern sind nicht seidenglatt elegant wie bei Tadao Ando, sondern rauh und vielfach nachverputzt. Hinzu kommt, daß kaum eine Gerade gerade und kaum eine Biegung ohne Brüche ist, genauer betrachtet eine handwerkliche Schande. Fast ist man versucht zu sagen, nichts ist gut in Maxxi-Land, wenn es nicht doch auch zahlreiche Lichtblicke gäbe. Aber die wiegen die Mängel nicht auf. Das Museum hätte einfach nicht gebaut werden dürfen.

Und man wünscht sich dringend, daß die Städte Pause machen sollten mit ihren Museums- Bauten. Dieses Sich-ständig-übertrumpfen-wollen mit immer spektakuläreren „Kunstwerken“, die die Städtbilder eher beunruhigen als beruhigen und dieses Geld-zum Fenster-Hinauswerfen, Geld, was schon der gleichen Generation fehlt, um das alles vor dem Verfall zu retten.

Und zuletzt wünscht man sich dringend, daß diese lächerlichen Preisverleihungen aufhören. Da vergibt die RIBA ihren „renommierten“ Stirling-Preis (stolze 20.000 Pfund) für den besten Museumsbau - des Jahres wohlgemerkt. Da können Sie sich ausrechnen, daß eine handverlesene Elite der üblichen Verdächtigen ausgezeichnet wird, dieses Jahr offensichtlich gegen die Mitgliederbefragung, die gerne Rick Mather Architects vorn gesehen hätte. Ich schätze, die Jury ist bei der Auswahl ihres Preisträgers keinen Schritt vor die Tür gegangen, Hadid lebt ja in London.