Samstag, 11. Dezember 2010

Liu Xiaobo und Wikileaks

Ich weiß nicht, manchmal habe ich das Gefühl, daß wir im Westen vor Selbstgerechtigkeit kaum noch denken können. Da wird der Regimekritiker Xiaobo mit dem Friedensnobelpreis geehrt und unsere Zeitungen sind wochenlang gefüllt von der undemokratischen menschenrechtsverletzenden chinesischen Regierung. Kein einziger von uns zeigt Verständnis für die Chinesen. Warum auch, Xiaobo hat doch nur seine Meinung gesagt, und dafür wird er schon eingesperrt, als Krimineller. Keine Rücksicht auf die chinesische Regierung. Sie soll vorgeführt werden, damit sie die Demokratie und Menschenrechte schneller in China einführt. Keiner fragt nach ihren Problemen, ob sie denn welche hätte.

Dabei liegt doch klar auf der Hand, daß es sich hier um eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas handelt. Die chinesische Regierung will doch nur das Land zusammenhalten, es disziplinieren, damit kein Chaos entsteht. Wie war das damals auf dem Tianmen Platz, als die Panzer die demonstrierenden Studenten niedermetzelten? Da konnte auch die schweigende Mehrheit im Westen die chinesische Regierung durchaus verstehen, wurde doch eine kleine Freiheitsfackel ausgetreten, aus der aber leicht ein unkontrollierter Flächenbrand hätte entstehen können, von dem auch Westen verbrannt worden wäre. So gesehen ist der Nobelpreis für Xiaobo eine neue terroristische Attacke des Westens auf China, gegen die es sich empört mit allen Mitteln wehrt.

Die gleiche terroristische Attacke meint die amerikanische Regierung zu verspüren, wenn sie auf die Veröffentlichung des Hubschrauber-Videos und der US-Diplomaten-Mails blickt. Ein Angriff auf ihre Außenpolitik mit Bloßstellung ihrer selbst und aller ihrer Verbündeten. Die Wikileaks-Seite und deren Konten wurden deshalb sofort gesperrt, dem Wikileaks Führer Assange wurde die Tötung angedroht und zumindest ist es gelungen, Assange einzusperren.

Ist das etwas anderes als das, was China macht. Nein, es ist das Gleiche. Hier wie da sieht sich ein Staat in seinen Handlungen bloßgestellt und lächerlich gemacht und er wehrt sich dagegen mit allen Mitteln. Nur die jeweils andere Seite sieht in dieser Gegenwehr undemokratische, kriminelle Handlungen.

Darum rege ich mich über die Chinesen nicht auf, das war zu erwarten.

Ich rege mich auf über die Amerikaner und über unsere westlichen Regierungen, weil sie ihre demokratischen ethischen und moralischen Grundsätze über den Haufen werfen. Sie opfern das, wodurch sie einzig legitimiert sind, unsere Demokratie. Wenn die Demokratie so wenig wert ist, dann sind es unsere Regierungen auch nicht. Weder für uns, aber was noch schlimmer ist, noch weniger für all die Staaten, die auf dem Weg zur Demokratie sind und dort noch ankommen wollen. Amerika und Europa sind gerade dabei, ihre Glaubwürdigkeit zu verspielen, allen voran die Amerikaner, die die Freiheitsflagge der Welt vor sich hertragen wie eine heilige Monstranz. Sie verspielen ihre Glaubwürdigkeit in Afghanistan, Irak und Guantanamo, in Israel und Iran, mit den Folterungen und dem Töten von Menschen durch Drohnen, bevor diese vor einem ordentlichen Gericht standen. Es ist dieser Ekel vor dieser bigotten Haltung, den wir bekommen, und die Trauer, daß eine Vielzahl von Staaten die Amerikaner zum schlechten Vorbild nehmen werden. Schneller als wir es uns vorstellen, werden wir über Nacht in egoistische Nationen zerfallen, wo die Bestie Krieg über uns herfällt.