Donnerstag, 23. Dezember 2010

Was mich am Holocaust stört

In einem sind sich alle Deutschen, alle Parteien, alle Bürger, alle Lehrer, alle Beamten, alle Gewerkschafter einig. Nie wieder Holocaust. Was damals passiert ist, das ist eins der großen unfaßbaren Verbrechen der Deutschen gegen die Juden, von Menschen gegen Menschen, Und darin sind wir uns jede Minute, jede Stunde und jeden Sonntag einig, das sich das nie wiederholen darf. Und montags können wir die Reden nachlesen, wie einig wir uns vergangene Woche waren.
Daß Martin Walser gesagt hat, er könne dieses Trauermantra nicht mehr hören, kann die Mehrheit der Deutschen nachvollziehen. Aber wie das aussehen soll „Nie wieder Holocaust“, das hat uns kein Redner je sagen können. Denn während er seine Rede hält, passiert irgendwo dieser Holocaust –tolles Wort - an jeder Ecke. Wie heute, 22. Juni 2008: Simbabwe, Tschetschenien, Tibet, Abchasien, Afghanistan, Irak. Greifen wir da ein? Setzen wir Mugabe ins Gefängnis? Nein. Wir haben es mal in Jugoslawien versucht, mit zweifelhaftem Ergebnis.
Nie wieder Holocaust würde bedeuten, daß die Kerzenkette mit händchenhaltenden Menschen von Duisburg – Marxloh nach Kabul verlegt wird. Oder in den Gaza-Streifen, was besonders bemerkenswert ist, da gerade das Volk, dessentwegen wir das Wort Holocaust überhaupt in den Mund nehmen, dort eine besondere Variante ausprobiert. Was also soll das unendliche Geschwätz. Holocaust, das ist im Gegenteil die Zementierung des Unrechts in der Welt: wir beschäftigen uns so leidenschaftlich und verbissen mit dem Thema der Vergangenheit, damit wir uns nicht mit der Gegenwart auseinandersetzen müssen. Auf ein Buch mit Unrecht der Gegenwart kommen hundert Bücher der letzten Augenzeugen der Verbrechen der Vergangenheit. Das ist ja schön, führt aber überhaupt nicht weiter. Denn die verfolgten Juden haben es ja noch nicht einmal geschafft, ihre Leidensgenossen vom Unrecht abzuhalten. Nein, diese haben in typisch menschlicher Steinzeitpsychologie ausschließlich gelernt, nie wieder Holocaust, darum bis auf die Zähne bewaffnet auf alles draufschlagen, was der Eigenvernichtung nahe kommt. Also, nie wieder Holocaust bei mir, wohl aber bei den anderen. Und was ist, wenn in Duisburg Marxloh Türken auf die Strasse gehen und rufen „Marxloh den Türken“? Ist dann die Paulskirche und der Deutsche Friedenspreis vergessen? Oder darf dann Schäuble endlich die Online-Untersuchung auf türkisch starten (wieviele vom BKA sind dazu in der Lage? Und reichen die Gefängnisse, um Marxloh, Kreuzberg und Nippes einzusperren? Schützt Schäuble vor Schäuble, kann ich nur sagen).
Und was ist mit Darfour?