Donnerstag, 26. Mai 2011

Der Untergang der islamischen Welt

Wenn man liest „Der Untergang der islamischen Welt“, dann ist man im Westen erfreut. Umso mehr, wenn diese Einschätzung von einem Muslim stammt.

Zu groß sind die Vorurteile gegenüber dem Islam, der mit seiner Selbstdarstellung und Gewalt Ängste im Westen auslöst. Diese Gewalt kommt unmittelbar aus dem Koran mit seinen Drohungen gegenüber den Ungläubigen. Und als Kampfschrift hat der Koran zur Verbreitung des Islams ja sehr gute Dienste geleistet.

Im 16. Jahrhundert hat die Angst vor dem Islam dann im Westen solche Kräfte mobilisiert, daß er nicht nur die drohende Eroberung abgewehrt, sondern auch den Zusammenbruch in den Heimatländern bewirkt hat.

In der ersten Hälfte meines Lebens wußte ich gar nicht, daß es in der Türkei, in Ägypten, in Persien, Afghanistan und Indonesien einen Islam gibt. Dass die Menschen dort nicht (wie alle) sagen „ich bin Ägypter“, sondern sich zuerst über die Religion definieren und sagen „ich bin Moslem“. Erst mit der Einwanderung der Völker des Nahen Ostens im ausgehenden 20. Jahrhundert nach Europa wurde zunehmend ihr Glauben sichtbar, am deutlichsten mit Kopftüchern signalisiert. Darüber waren wir sehr erstaunt, wollten sich die Einwanderer davor doch so schnell wie möglich an unsere Landessitten anpassen getreu dem afrikanischen Spruch „Wenn du in ein Dorf kommst, wo alle auf einem Bein tanzen, dann tanze auf einem Bein“. Wir waren vor allem deshalb erstaunt, war doch unser Westen die beste aller Welten und wurden unsere technischen Errungenschaften auch von den Muslimen wie heilige Devotionalien verehrt und benutzt.

Ab dieser Zeit registrierten wir nicht den Untergang des Islam, sondern seine Wiederauferstehung. Erstaunlich deshalb, weil er aus unserer Sicht von der Neuzeit ins Mittelalter zurückführt, was der damalige Vorsitzende der Muslime in Deutschland, Pakistani von Geburt, Arzt und 40 Jahre in Deutschland lebend, so ausdrückte, sein Lebensideal wäre das Spanien des 9. Jahrhunderts. Da bin ich fast vom Hocker gefallen. Demonstriert wurde dadurch eine tiefe Ablehnung des Westens, eine tiefe Trauer über den schwachen Islam und ein geradezu brennender Wunsch, den Westen wiederzuerobern.

Die Haltung des Arztes hat sich im letzten Jahrzehnt unter den europäischen Muslimen weiter verfestigt, ja sie hat sogar Impulse auf die Mutterländer ausgestrahlt und dort zu einer stärkeren Islamisierung geführt. Vor 35 Jahren gab es weder in der Türkei, Persien oder Ägypten Kopftücher, heute trägt sie die Mehrheit der Frauen. Die Ablehnung hat sich vor allem durch den direkten Kontakt der Gastarbeiter und Migranten mit einheimischen Deutschen und Franzosen gebildet und verstärkt, weil neben der kulturellen Klammer auch noch die religiöse fehlte, die bei Deutschen und Franzosen durch das gemeinsame Christentum wenigstens vorhanden war. Es fehlte also an allem. Und sich dann in einem fremdenfeindlichen Gastland einzugliedern und anzupassen und diese Leute auch noch zu lieben, das war und ist eine fast unmögliche Aufgabe.

Die Zunahme der Islamisierung in den Mutterländern hat auch deshalb zugenommen, weil dort die Distanz zu Europa und zum Westen durch die moderne Kommunikation mit Flugzeug, Mobilfunk und Fernsehen abgenommen hat. Wir sind uns näher auf die Pelle gerückt. Was die Gastarbeiter zurückgespiegelt haben, wird durch Kommunikation weiter verstärkt, inklusive der Signale, daß der Westen im Inneren nicht stark, sondern schwach ist wie eine weiche Birne, die überreif nur darauf wartet, gepflückt zu werden. Ohne diese Signale hätte Bin Laden den Westen nie angegriffen, mit den ihn prägenden Bildern aus Somalia, wo die sich die USA wegen ein paar Toten zurückgezogen hatten.

Was der Westen jetzt sehr genau und übernervös beobachtet ist, wohin die „islamische Reise“ gehen wird, die schon Naipaul in den Sechziger Jahren als zunehmend irrational wahrnahm, je weiter er über Pakistan nach Indonesien kam. Einen Untergang jedenfalls sehen wir nicht. Auch wenn alles stimmt, was am Islam kritisiert wird, das Einengende, die Denkverbote. Das hat aber Iran nicht gestört, genau das wiedereinzuführen und die Türkei ist gerade im selben Prozess. Übrigens: Kriege haben in der Regel genauso angefangen, indem man erst das eigene Volk einnordete und gleichschaltete, bevor es auf andere Völker losgeschickt wurde.

Aber es kann auch sein, daß hier eine ängstliche Schlange auf ein wildes Kaninchen blickt, welches sich hoffentlich schnell beruhigt, wenn es registriert, daß es nicht nur den Westen, sondern noch einen Osten gibt, der bereits an ihm vorbeigezogen ist. Auch hier müssen sich die Muslime fragen, warum China und Indien erfolgreicher sind als Indonesien und Pakistan, und ob nicht gerade die rückständige Religion einen Großteil Schuld daran trägt.

Vielleicht wächst dann auch bei allen Völkern der Erde das Bewußtsein, daß Religion vielleicht einen Teil unseres Lebens bestimmen darf, aber nie das ganze.