Mittwoch, 6. Juli 2011

Feinstaubpolitik

In unserer Stadt gibt es eine Feinstaubzone. Sie wissen ja, das ist ein Streifen von 300 Metern und da dürfen nur Autos mit grüner Plakette mit Tempo 30 durchfahren. Für den Umweltschutz. Keiner hält sich dran. Keiner kontrolliert die Plaketten. Nur steht jede Woche ein unauffälliger PKW am Strassenrand und blitzt die Raser. So dient die Feinstaubzone letztlich einem guten Zweck.

In unserem Land gibt es Politiker. Die kümmern sich täglich um unser Wohl. Auch um unsere Umwelt kümmern sie sich. Mit Windrädern, Sonnenenergie und Wärmedämmung. Dafür erheben sie Mineralölsteuer, Wasser-, Wind- und Sonnensteuer, Wärmedämmungssteuer, Fahr- und Flugsteuer und Kursteuer da, wo das Atmen gesünder ist. Alles was sie tun, tun sie nur zu unserem Wohl. Sie tun so viel, daß wir Jahr für Jahr immer weniger tun müssen. Schliesslich brauchen wir nur noch da zu sitzen und auf die Fütterung warten. Rundumversorgung.
Wer das nicht will, kann ja in die Politik gehen.

Die FAZ schreibt ausführlicher darüber.

Großer Aufwand, keine Verbesserung, riesiger Schaden
Panikmache mit fragwürdigen Feinstaubwerten: Die Messwerte sind größtenteils unbrauchbar

In Baden-Württemberg herrscht offenbar besonders häufig dicke Luft - und das nicht erst seit Stuttgart 21 oder dem Regierungswechsel zu Grün-Rot. Wie anders ist zu erklären, dass sich dort schon zu Zeiten von Ex-Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) die Umweltzonen ballten wie in keinem zweiten Bundesland? Neben großen Städten wie Stuttgart, Heilbronn, Ludwigsburg oder Mannheim profilierten sich schon früh auch Bonsai-Kommunen wie Ilsfeld, Pleidelsheim oder Markgröningen als wackere Streiter wider den Feinstaub und machten Baden-Württemberg mit 18 von 44 deutschen Umweltzonen zum diesbezüglichen Musterländle. Vom vollmundig propagierten Ziel, durch Aussperrung möglichst vieler Autos die Feinstaubkonzentrationen drastisch zu senken, bleibt nach nunmehr drei Jahren kaum mehr als heiße Luft übrig.
Zur Erinnerung: Laut EU-Richtlinie darf seit 2008 der Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter Luft höchstens an 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Während sämtliche EU-Staaten (außer den Niederlanden) diese Vorgabe bis heute ignorieren, schritt Deutschland entschlossen zur Tat und sperrte in einer ersten Stufe rund sieben Millionen Personenwagen, vor allem Dieselmodelle, aus den Umweltzonen aus, wenn sie nicht wenigstens eine rote Plakette (Euro 2) oder eine gelbe (Euro 3) an der Frontscheibe trugen. Inzwischen dürfen auch diese Fahrzeuge nicht mehr in die entsprechenden Sperrbezirke von Berlin, Hannover, Bremen und Leipzig einfahren. Autos mit gelber Plakette haben derzeit in Düsseldorf, Wuppertal, Osnabrück, Augsburg und Stuttgart noch eine Schonfrist bis Ende 2012, bevor auch ihnen das Aus droht. Nach Angaben des ADAC werden davon allein in Baden-Württemberg 863 000 Personenwagenbesitzer betroffen sein, davon rund 81 000, die erst vor kurzem Partikelfilter nachrüsten ließen, um eine rote oder gelbe Plakette zu erhalten. Vertrauensbildende Maßnahmen sehen anders aus.
Weil Feinstaubpartikel naturgemäß weder an Staats- noch an Stadtgrenzen haltmachen und der Fahrzeugverkehr nur einen Bruchteil des Feinstaubaufkommens emittiert - die Schätzungen der Fachleute schwanken je nach deren ideologischem Standort zwischen drei und 20 Prozent -, hatten Experten von Anfang an vor nutzlosem Aktionismus und daraus resultierenden volkswirtschaftlichen Schäden gewarnt, wenn auch vergeblich. So hat bereits die erste Fahrverbots-Stufe (Autos ohne Plakette) nach Hochrechnungen des Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen einen finanziellen Schaden von mehr als zwölf Milliarden Euro verursacht (F.A.Z. vom 6. Dezember 2008), vor allem durch den drastischen Wertverlust der Fahrzeuge. "Dieser Schildbürgerstreich illustriert einmal mehr, wie Politiker durch miserable Arbeit Volksvermögen in beträchtlichem Umfang vernichten", kommentierte damals CAR-Direktor Professor Ferdinand Dudenhöffer. Und Verkehrsexperte Markus Ferber, Vorsitzender der CSU-Gruppe im Europaparlament, sekundierte aus Brüssel: "Die Einrichtung weiterer Umweltzonen unter immer schärferen Bedingungen erinnert an kalte Enteignung." Weitere Milliardenschäden drohen spätestens Ende 2012 dem Transportgewerbe, weil vom deutschen Nutzfahrzeugbestand - 2,9 Millionen Transporter, Lastkraftwagen, Sattelzüge und Busse - fast 80 Prozent keine grüne Plakette haben. Betroffen sind knapp 2,3 Millionen Fahrzeuge, von denen manche gerade erst vier Jahre alt sind.
Am Wettbewerb baden-württembergischer Kommunen um die Rolle des Musterschülers im Klimaschutz hatte sich auch die 300 000-Einwohner-Stadt Mannheim beteiligt, die am 1. März 2008 die komplette Innenstadt für Autos ohne Feinstaubplakette dichtmachte. Eine Notwendigkeit für die Aussperrung etlicher tausend innerstädtischer Autobesitzer bestand nicht, weil 2007 an keiner der vier Messstationen der Grenzwert von 35 kritischen Tagen erreicht worden war. Die addierte Gesamtzahl von 70 Überschreitungstagen (2007) stieg allerdings nach Einrichtung der Umweltzone kontinuierlich: 2009 auf 75 und 2010 auf 87 Tage. Eine solche Bilanz schönzureden, dürfte selbst engagierten Umweltschützern schwerfallen.
Am 16. Juni dieses Jahres schienen dann plötzlich die Alarmglocken zu schrillen: Das Umweltbundesamt (UBA) in Dessau meldete, dass an der Messstation Mannheim-Nord die 50-Mikrogramm-Grenze in diesem Jahr schon an 36 Tagen überschritten worden sei. Pflichtgemäß beklagten sogleich die Mannheimer Grünen in einer Presseinformation diese Gesundheitsgefahr. Vier Tage später gab die Regionalzeitung "Mannheimer Morgen" Entwarnung: Nicht an 36, sondern lediglich an elf Tagen sei in den ersten fünf Monaten dieses Jahres der Feinstaubgrenzwert überschritten worden, habe die baden-württembergische Landesanstalt für Umweltschutz (LUBW) in Karlsruhe mitgeteilt.
Wie lassen sich derart unterschiedliche Ergebnisse aus derselben Messstation erklären? Das Umweltbundesamt misst die Schadstoffkonzentration kontinuierlich mit elektronischen Messfühlern, während die Karlsruher Landesanstalt den Feinstaub in Filtern sammeln und danach im Labor analysieren lässt. Diese handverlesene Methode entspricht den EU-Vorgaben und liefert wesentlich präzisere Ergebnisse als die Messungen des Umwelt-bundesamts. Dessen voreiliger blinder Alarm im vorliegenden Fall erscheint daher nicht ganz frei von ideologischem Hautgout.
Fehlmessungen sind im Übrigen nicht neu. Bereits 2008 registrierten in Nordrhein-Westfalen fünf von 66 Messstationen Feinstaubwerte, die bis zu 30 Prozent über den tatsächlichen Werten lagen, wie Referenzmessungen ans Licht brachten. Damit waren die kompletten Daten dieser fünf Stationen von 2008 - Kosten für den Steuerzahler: rund eine Viertelmillion Euro - unbrauchbar und mussten annulliert werden.
Das Fazit: Auch im dritten Jahr nach Einführung der Umweltzonen tendiert deren Wirkung gegen null und stellt sich immer deutlicher als realitätsfernes Wunschdenken heraus. Wer ökologische Utopien mit der Brechstange verwirklichen will und dazu auch noch mit unzulänglichen Messverfahren hantiert, darf sich über galoppierende Politikverdrossenheit nicht wundern.
Hans W. Mayer