Montag, 6. Februar 2012

Über Syrien

zeigte sich die EU August 2011 schockiert über Massaker an 140 Menschen in der Stadt Hama. Januar 2012 berichtet die Süddeutsche von einem grauenhaften Massaker in Homs, bei dem 44 Menschen getötet worden sind. Das ist nicht wie Krieg, das ist Krieg, schreibt dazu die FAZ.

Insgesamt sollen bei den Aufständen gegen das Regime von Baschar Al-Assad seit Anfang 2011 über 5000 Menschen ihr Leben gelassen haben. Der Westen reagiert empört, Obama nennt Assad einen Mörder und Sarkozy fordert ein Ende der Tragödie. Für ein gemeinsames Eingreifen wie in Libyen reicht es nicht, auch nicht für eine gemeinsame Verurteilung Syriens, da Russland und China dagegen sind. China begründete sein Veto damit, die Resolution sei zu einseitig, Russland dagegen findet die Resolution nicht einseitig genug. Beides recht nichtssagende Ablehnungen.

Russlands einziger Flottenstützpunkt liegt in Syrien, außerdem ist Moskau Syriens wichtigster Waffenlieferant. Das könnte schon ein wichtigerer Grund sein. Noch wichtiger aber könnte sein, daß Russland und China die Option, Oppositionen im eigenen Land zu bekämpfen, nicht verbauen wollen. Rußland hat im Tschetschenienkrieg viel größere Massaker angerichtet und Chinas Massaker am Tsianmenplatz ist noch in frischer Erinnerung, neben seinem rigorosen Vorgehen in Tibet und anderswo.

Auch der Westen erscheint unglaubwürdig. Einerseits war er nie zimperlich in der Unterstützung von Diktaturen, wenn sie ihm nützlich waren. Andererseits wurden unzählige Massaker ignoriert, wenn westliche Interessen nicht berührt waren (Kongo, Ruanda, Somalia, Äthiopien, Sudan, Jemen und auch das in Hama Syrien vor 30 Jahren mit über 20.000 Toten).

Und dann sind auch seine Interessen durchaus nicht neutral. Syrien ist dem Westen eher feindlich gesinnt und vor allem Israel fürchtet eine schädliche Nähe zu Iran. Aber auch die Interessen der Nachbarn sind durchaus nicht neutral. Den Türken und Arabern stehen die 75 Prozent Sunniten näher als die etwas über 5 Prozent regierenden Alaviten.

Hinzu kommt, daß die Regierung den fundamentalistischen Islam, insbesondere die sunnitischen Muslimbrüder unterdrückt. Wissen wir genau, ob wir das richtige tun, wenn wir Assad verurteilen und die Muslimbrüder wie in Ägypten an die Macht kommen. Wird dann nicht ein radikales Regime durch ein noch radikaleres abgelöst? Wird nicht, wie im Irak zu beobachten, eine Vertreibung vor allem der Juden, Christen und Alaviten stattfinden?

Und sind wir schliesslich nicht Opfer einer verzerrten Berichterstattung, die bereits bei 50 Toten von Massakern reden, aber sprachlos gegenüber den 2000 Toten pro Jahr in Afghanistan und Irak reagieren?

Friedrich II., der Staufer, hat ganz Mailand ausgelöscht, als sich die Stadt gegen ihn auflehnte. Trotzdem bezeichnet die Geschichte ihn nicht als Mörder, sondern als „stupor mundi“, als den modernsten Herrscher seiner Zeit. Kann es sein, daß wir Assad diese Chance verwehren?