Ich war fest gewillt, die Ausstellung von Isa Genzken im Museum Ludwig gut zu finden und in ihr eine ganz neue Öffnung in die moderne Kunst zu finden. Schon in Münster hatte ich sie vor der Überwasserkirche gesehen und war geschockt über die leicht daherkommende Müll-Kunst, die ich ebenso schnell von mir wegwerfen wollte. Aber in der genaueren Vertiefung mit den selig einsamen Puppen in ihren Kinderwagen sah ich das Grauen unserer heutigen TUI-Gesellschaft: heute glücklich mit einem Glas Prosecco am Strand von Mallorca und morgen entsorgt im gefühlsarmen Altersheim, wir produzieren Wohlstandsmüll, wir sind Wohlstandsmüll. Mit diesem Bild vor den Augen betrat ich die Ausstellung und sah mich im Eingangsbereich mit der genauen Fortsetzung konfrontiert, diesmal Erwachsene und keine Kinderpuppen. Das Ergebnis, der trostlose Eindruck auf mich, das gleiche. Kurz vorher hatte ich Isa Genzkens Bilder noch gegoogelt und sah bunte Versatzstücke, leuchtende Skulpturen, die mich in Staunen versetzten und neugierig machten auf mehr.
Die Enttäuschung hätte nicht größer sein können. Gut fand ich noch das American Room Office und den Urlaub, als in Form gefrorene Gesellschaftskritik, als bewegt erzählendes Stillleben, wo unter der bunten Fassade, Tünche, Oberfläche das Grauen lebt, ein erstarrter Horrorfilm. Aber es war eben nur eine leere Bühne, auf der eben etwas Grauenhaftes passierte, die Akteure waren gegangen, der Film zuende und dann hätte man die Gegenstände abräumen können. Und so ist sie wohl, die Kunst der Isa und der anderen. Du baust sie auf, in Galerien, Museen und Strassen, du beeindruckst die Besucher, und dann baust du sie wieder ab: du hast deine Geschichte erzählt, eben wie man einen Film ablaufen läßt: aber den Film stellst du dir nicht in deine Bude, hängst ihn nicht an deine Wand, dafür ist er auch handwerklich nicht geschaffen, nicht gut genug, du siehst ihnen das Verfallsdatum an, mehr als drei Jahre gibst du den Schleifen nicht, den Papierblumen, den Puppenwagen. Du bewunderst die geniale Idee, aber nicht das Kunstwerk, das sie zeigt, das ist nicht gut genug. Und beim Fortschreiten in der Ausstellung waren selbst die Ideen nicht immer gut genug, häufig zu sehr selbstverliebte Masche, der Weltempfänger, eines der früher teuren Radios, die jeden Kurzwellensender der Welt empfangen konnten. Aber einfach so auf einen Sockel stellen und erwarten, das das mehr ist als ein Weltempfänger, das ist zuviel. Oder eben zuwenig. Es ist deshalb zuwenig, weil wir es alle können. Und darum ist es eine Durchschnittsleistung, derer wegen wir nicht in ein Museum kommen. Es öffnet noch nicht einmal neue Sehweisen, darum machen wir uns alle etwas vor, wenn wir vor so einem Weltempfänger stehen und sagen, ah, des Kaisers neue Kleider. Und auch die Fenster, die uns neue Sehweisen eröffnen, die Fenster, die an sich zu wenig wären, aber trotzdem neue Sehweisen eröffnen, da ist man hin- und hergerissen, ob das nun reicht oder nicht reicht, einfache Betonrechtecke auf einen Eisensockel zu heben und sie uns als Kunst zu verkaufen. Wir sind da zu schnell bei der Beuysschen Badewanne, die von den Putzfrauen saubergemacht wurden, weil sie das Kunstwerk nicht erkannten, und bei der Frage, ab wo beginnt die Mehrheit, die in einem Kunstwerk ein Kunstwerk erkennt. Und da standen auch bei Isa einige Badewannen herum.
Trotzdem, die wenigen Sachen, die ich gut fand, lassen mich nicht los. Sie verfolgen mich wie Bilder eines Films, stoßen an, regen auf, wollen verändern. Wenn es das ist, nicht mehr und nicht weniger, dann war es schon viel.