Montag, 21. September 2009

Saddam Hussein Libelle

Ich sitze in der Badehose im Liegestuhl im Garten und es ist einer dieser schwülwarmen Nachmittage, die in den letzten Jahren vermehrt zugenommen haben und lese die Frankfurter. Mittwoch, der 28. August 2002. Dick Cheyney, der amerikanische Vizepräsident, hält einen Krieg mit dem Irak für unvermeidlich.

Zuerst stört mich ein dreister Zaunkönig mit seinem lauten Tschirpen und ich kann mich, als er weg ist wieder in den Artikel vertiefen, da setzt sich eine Libelle auf mein nacktes Knie. Früher bin ich Libellen immer hinterhergerast, mal mit mal ohne Netz, aber ganz selten habe ich diese Flugkünstler gefangen, und da setzt sich diese Libelle auf mein Knie, einfach so. Ich versuche mich als Insektenforscher und lasse sie sitzen. Doch sie senkt ihr Haupt etwas und ein Rüssel fährt unmerklich nach unten und ich frage mich, sind Libellen giftig? Wovon ernähren sie sich, von Moos oder von Mückenlarven, lutschen sie etwa Blut und lähmen ihre Opfer mit Gift? Ich will mich nicht weiter als Insektenforscher betätigen, darum verjage ich sie. Aber sie kommt wieder. Immer wieder fliegt sie mich an, trotz massiver Abwehrversuche und setzt sich dann auf den ungelesenen Teil der Zeitung neben mich. Von dort aus beäugt sie mich. Ja sie beäugt mich wirklich, dreht den Kopf nach links und nach rechts, so dass ihre großen Facettenaugen alles wahrnehmen. Was denkt sie wohl, ist es eine Killerlibelle? Abgerichtet von irgendwelchen Geheimdiensten, um brave Bürger in ihren Vorgärten auszuspionieren – oder zu vergiften? Ich kenne doch alle Artikel aus ebendieser Zeitung, von Nanorobotern, die die Bedrohung der Menschheit werden, und diese Nanobiester sind unendlich viele kleiner als diese Libelle. Darum nehme ich die gefaltete Zeitung, um auf das Biest einzuschlagen. Das kann Gedanken lesen, denn im gleichen Augenblick schießt die Libelle auf mich zu, nicht direkt aber provozierend nah, fliegt, nein springt mehr wie ein Panter mit einem Satz an meiner Nase vorbei und ward nicht mehr gesehen.
Also doch eine Geheimdienstlibelle, also doch von Saddam Hussein, mein Nachmittag ist nicht mehr so unschuldig wie zuvor. Die hässliche Weltpolitik zieht auch in meinen Garten ein, und ich ein Teil von ihr, zum Glück noch kein Opfer. Aber die nächste Libelle, die mich anfliegt, gottseidank viel viel kleiner als die erste, schaue ich mir schon sehr viel genauer an. Man muß aufpassen in diesen Zeiten.