Geht man die große Freitreppe im Museum Ludwig hoch, steht da die Frau mit Umhängetasche, von Duane Hanson, 1974. Ich war irritiert, als ich sie sah, denn im Gegensatz zu den Wachsfiguren von Madame Toussaud lebte sie.
So wie sie da stand, klein, mit einem etwas traurigen, etwas verhärmten Gesicht, tat sie mir leid.Aber ich sah ihr in die Augen, und die Augen lebten. So als ob gerade nur der Stecker herausgezogen wäre und gleich wieder eingesteckt würde. Diese verdammten Augen, sie glänzten und sie hatten das leicht irritierende Schielen, welches mich magisch in sie hineinzog.
Ich lächelte sie an, um nicht in irgendeinem bösen Niemandsland zu landen, und ihre Züge entspannten sich ebenfalls. Fast hatte ich jetzt das Gefühl, sie lächele auch. Ich ließ sie stehen, ging aber sofort wieder zurück, um ihr nochmal in die Augen zu sehen. Der gleiche Reiz wie vorher. Sie mußte lebendig sein, denn so breite, ausladende Hüften hat keine Kunstfigur. So verbaut sind nur echte Menschen, arbeitende Bevölkerung, Hausfrauen, Ehefrauen.
Man heiratet keine Ausnahmemenschen, nur Durchschnittsmenschen. Die kümmern sich um dich. Ausnahmemenschen kümmern sich nur um sich. Die sind nur dankbar, wenn du dich um sie kümmerst. Ausnahmemenschen erwarten, ja fordern, daß du dich um sie kümmerst. Da kommt keine Freude auf.
Aber die hier, die ist zum anfassen. Die sagt, das Leben ist schwer, wir beide wissen es, wollen aber nicht jammern. Ich habe zwar wenig Geld, aber wir gehen jetzt einkaufen. Ich stehe hier schon so lange an der Säule der Museumsfreitreppe und warte auf dich. Da gehen wir einfach zur Tagesordnung über. Ich komme mit dir.
Und als ich sie stehen ließ, kam sie hinterher.