Ein Gremium, daß es eigentlich nicht geben dürfte, aber es gibt ihn, und das ist gut so.
Der Zentralrat der Juden kümmert sich seit der Gründung der Bundesrepublik um die Moral Deutschlands. Und wir brauchen das, denn ohne ihn wären wir womöglich schon in dümmere fremdenfeindliche Niederungen abgeglitten. So aber reissen wir uns am Riemen und versuchen, anständig zu sein.
Der Zentralrat der Juden hat aber auch seine Macken. Heute zum Beispiel – beklagt er sich, daß Sarrazin nicht rausgeworfen wurde, sondern selbst um seine Entlassung bitten durfte. Kramer sagte: "Die NPD ist mit dem Fall Sarrazin und diesem Abgang aus der Bundesbank endgültig salonfähig."
Das ist natürlich Schwachsinn. Man weiß nicht, was die Leute treibt, aber Kramer hatte im Fall Steinbach viel besser reagiert. Da hatte er nachvollziehbar begründet, warum der Zentralrat der Juden aus der Stiftung der Vertriebenen austritt: Frau Steinbach ist nämlich wirklich entgleist: Sie hat nämlich gesagt, daß die Polen zuerst mobilgemacht haben im zweiten Weltkrieg. Womit sie den Polen eine Mitschuld gibt an dem Überfall auf Polen, auch wenn sie die Wahrheit gesagt hat. Jedoch hat sie verschwiegen, daß die Polen dazu von den Deutschen förmlich gezwungen wurden in Form einer vorbeugenden Schutzmaßnahme.
Beide Fälle sind nicht vergleichbar. Sarrazin treibt die Sorge um, daß die Türken Deutschland in einen undemokratischen Gottesstaat verwandeln möchten. Frau Steinbach will das Unglück der Vertriebenen auf die gleiche Stufe heben wie das Unglück der Polen.
Das hätte der Zentralrat der Juden auch erkennen müssen. Ob Steinbach oder Sarrazin – der Zentralrat hat noch ein drittes Problem: Israel. Man kann nicht Deutschland mit einem moralischen Skalpell zerlegen und all die Verfehlungen sezieren und kein Wort zu Israel verlieren.
Der frühere Zentralratsvorsitzende Spiegel hat es mal auf den Punkt gebracht: zu Israel sage ich nichts, Israel ist meine Lebensversicherung. Das kann er sagen, aber er relativiert damit alle seine Äußerungen zu Menschenrechtsverletzungen. Man kann eben nicht den Splitter im Auge seines Nachbarn kritisieren, ohne den Balken im eigenen Auge zu sehen.
Und sein Vorgänger Bubis ist am Ende seines Lebens entnervt nach Israel ausgewandert, was auch nicht für eine Verwurzelung in Deutschland spricht. Will sagen, Israel ist ja nun um keinen Deut moralischer und menschenfreundlicher als Deutschland –aber genau das wollte Bubis demonstrieren. Das heißt im Klartext: der Rassismus, den der Zentralrat der Juden den Deutschen ankreidet, fällt gleichermaßen auf ihn selbst zurück.
Er sollte etwas gelassener sein.